ZitatViele Brautpaare buchen weiße Tauben für romantische Hochzeitsfotos. Was sie nicht wissen: Oft finden die Tiere nicht in den Schlag zurück und verenden. Nun regt sich Protest gegen den Brauch.
„Auf, du meine Freundin, meine Schönste, komm! Das Gurren der Turtel hört man in unserem Lande“, singt der Bräutigam im Hohelied, dem Lied der Lieder und der Liebe im Alten Testament. „Tu mir auf, meine Taube, meine fehlerlose“, denn „schön bist du, meine Freundin; deine Augen sind wie Täubchen!“
Weiße Tauben als Friedenssymbol kennt jeder. Doch sie stehen auch für Liebe und Treue. Tauben bleiben, hat sich ein Paar erst einmal gefunden, ein Leben lang zusammen. Genau das wollen Brautleute auch – und dieser Wunsch wurde Grundlage für ein Geschäftsmodell: Das Vermieten weißer Tauben für den Hochzeitstag.
Der relativ neue Brauch garantiert kitschig-schöne Fotos: Das glückliche Paar mit Täubchen in den Händen oder die Braut im weißen Kleid inmitten eines Schwarms weißer Tauben, die aus einem Korb auffliegen. Der Züchter fährt derweil nach Hause und wartet, bis seine Vögel wieder im Taubenschlag eintrudeln.
Klingt wunderbar. Funktioniert aber nur, wenn die Taube ausreichend Orientierungssinn hat. Das jedoch ist nicht immer der Fall. „Eine Taube ist ans Rathausfenster geklatscht und den Hochzeitsgästen tot vor die Füße gefallen“, weiß Erika Scheffer von einem Vorfall zu berichten. „Eine andere hat sich an den Verbrämungen am historischen Rathaus aufgespießt.“ Ziertauben verirren sich und verhungern Die 77-Jährige ist Vorsitzende des Dortmunder Tierschutz-Vereins. „Bissiger Terrier“ wurde sie vonseiten der Stadt früher einmal genannt, erzählt sie. Sie ist stolz auf diesen Titel. Und hat sich wieder in ein Projekt festgebissen: Scheffer kämpft gegen die Hochzeitsmode in ihrer Stadt, in einem Brief hat sie den Oberbürgermeister von Dortmund aufgefordert, den Brauch mit den Tauben zu verbieten.
Tierschützerin darin und berichtet von umherirrenden Vögeln. „Besonders tierschutzwidrig ist es, wenn weiße Pfauenschwanz-Tauben aufgelassen werden. Diese Rasse gehört zu den Ziertauben und wird hauptsächlich in Volieren gehalten. Da ihre Schnäbel kürzer sind als bei den Stadttauben, können sie sich nur sehr schwer Futter suchen.“ Heißt: Wenn die Tiere nicht mehr zurück in ihren Taubenschlag finden, verhungern sie.
In Dortmund säßen Pfauenschwanztauben auf Balkonen in der Umgebung des Rathauses und bettelten um Futter, sagt Erika Scheffer. „Weiße Brieftauben sind trainiert, die kommen zurück“, erzählt die Tierschützerin, die zu Hause selbst einen Taubenschlag hat, in dem sie herrenlose Tiere versorgt. Auch den Schlag im Stadtgarten betreut sie regelmäßig. In Oberleitungen gegrillt So aber werde gleich zweifach gegen das Tierschutzgesetz verstoßen, denn zum einen würden die Tiere ausgesetzt, weil sie nicht zum Besitzer zurückfänden. Zum anderen müsse ein Tierhalter dafür sorgen, dass sein Tier versorgt werde und keine Schäden und Schmerzen erleide. „Das ist aber nicht gegeben, wenn die Tauben aufgelassen werden“, so Scheffer.
Brautpaare, die sich unbedingt Tauben zur Hochzeitsfeier wünschen, bittet sie darum, sich vorher den Züchter und seine Taubenhaltung anzusehen: „Tauben müssen beringt und beim Veterinäramt gemeldet sein.“ Schon allein wegen der nötigen Impfungen sei das wichtig. „Nur diese Tauben fliegen auch zurück! Wenn sie keine Ringe tragen, ist der Züchter dubios!“
Problematisch sei auch, dass Taubenzüchter die Tiere zu lange Strecken fliegen lassen. „Sie können von Jagdvögeln erbeutet werden oder hängen an Oberleitungen fest und werden gegrillt“, sagt Scheffer, die seit 32 Jahren den Tierschutzverein leitet. „Die Tauben sollten aus einem Umkreis von höchstens 30 Kilometern stammen. Dann weiß man wenigstens, dass sie nach Hause finden.“
„Die Sehnsucht der Taube wird auf perfide Weise ausgenutzt“ Das Problem der Hochzeitstaube ist nicht bloß ein Dortmunder Phänomen, wie Vanessa Reithinger bestätigt. Die Mitarbeiterin der Tierschutzorganisation Peta beobachtet in „allen Bundesländern, dass Hochzeitstauben als Glücksbringer ausgebeutet werden.“ Sie ist strikt dagegen, „Tauben zu Unterhaltungszwecken einzusetzen“.
Nicht nur, dass bei der Zucht auf weißes Gefieder Eigenschaften wie der Orientierungssinn der Taube wegfielen, oft würden auch Taubenpärchen voneinander getrennt. „Tauben sind sehr treue Tiere“, so Reithinger. „Die Sehnsucht nach dem Partner wird auf perfide Weise ausgenutzt, als Anreiz schnell den Weg zum Schlag zurückzufinden.“ Ein Tier am sogenannten schönsten Tag im Leben solch erheblichem Stress auszusetzen könne doch niemand wirklich wollen.
Das sieht man auch die Dortmunder Stadtverwaltung so. Im Rathaus ist man um Aufklärung bemüht: „Wir wollen herausfinden, ob es ein Problem ist und wie groß es ist“, sagt Sprecherin Katrin Pinetzki. „Gegen den schwungvollen Handel im Internet haben wir keine große Handhabe“, sagt sie. Aber die Stadt will nun recherchieren, welche Händler es vor Ort gibt. Und die sollen Besuch vom Veterinäramt bekommen.
Nur noch trainierte Brieftauben Hochzeitstauben generell zu verbieten sei nicht möglich. Allerdings könne man untersagen, dass Tauben auf dem Rathausplatz aufgelassen werden. Die Stadt werde außerdem prüfen, ob man bestimmte Taubenarten untersagen oder eine Zusammenarbeit mit seriösen Händlern stärken könne.
Bis es so weit ist, bittet die Stadt ihre Hochzeitspaare und Gäste, sich nach Anbietern umzuschauen, die nur gut trainierte Brieftauben einsetzen.
Erika Scheffer ist das nicht genug. Die Stadt müsse nun „kriminalistische Fusselarbeit“ leisten, weil niemand wisse, woher die orientierungslosen Pfauenschwanztauben eigentlich kommen. Am liebsten würde die Tierschützerin gar keine Tauben mehr bei Hochzeitsfeiern sehen: „Die sind schließlich auch keine Garantie für Glück!“