Max M. ist mit Hund „Rex“ beim täglichen Gassigehen unterwegs. „Rex“ läuft voraus, schnuppert an Bäumen, schaut zum Herrchen. Siehst du mich? Bist du bei mir? Doch Max erwidert den Blick nicht, denn er checkt gerade seine E-Mails auf dem Smartphone. „Rex“ nimmt einen Stock auf und blickt stolz zum Herrchen: Guck mal, was ich gefunden habe! Doch Max ist gerade auf Facebook.
Plötzlich taucht ein anderer Hund auf, der nicht angeleint ist. „Rex“ und er mustern sich, die Körper spannen sich an. Max schreibt gerade per WhatsApp mit Freunden. Jetzt kann es gefährlich werden – auch für Max, wenn „Rex“ plötzlich losstürmt und ihn mitreißt.
Situationen wie in diesem erdachten Beispiel beobachtet Angela Cepeda Fuentes aus Syke immer öfter. Die große Hundefreundin hat unter anderem schon für die ländliche Erwachsenenbildung LEB die Seminarreihe „Mensch und Hund“ gestaltet und berät Menschen mit Problemhunden. Und sie hat kein Verständnis, wenn das Gassigehen mit dem Tier in Gassigehen mit dem Smartphone umschlägt: „Wenn ich als Hundebesitzer mit meinem Tier unterwegs bin, habe ich es immer zu beobachten. Ich muss verfolgen, wie der Hund auf seine Umwelt reagiert, seine Mimik, seine Körperhaltung – damit ich im Notfall schnell eingreifen kann.“
Besonders an der Rollleine könne diese Nichtbeachtung eine Gefahr für die Besitzer werden, die die ganze Zeit auf ihr Smartphone starren. Für die Hunde wird es brenzlig, wenn sie auf einen Artgenossen treffen und anfangen, mit ihm zu kämpfen.
Zu wenig Aufmerksamkeit für den Hund „Ich finde diese neue Entwicklung ganz fürchterlich“, erklärt Cepeda. „Der Hund bekommt einfach nicht mehr die Aufmerksamkeit, die er braucht. Dabei ist diese wichtig, um ihn unter Kontrolle halten zu können.“ Neben dem Kontrollverlust sei es auch ein frustrierendes Erlebnis für das Tier, wenn es von seinem Besitzer nicht beachtet werde. „Es kann das nicht verstehen und wird irgendwann weitergehen – aber der Frust in ihm bleibt.“
Generell findet die Syker Biologin, dass viele Besitzer den richtigen Umgang mit den Tieren verlernt haben. „Entweder sind die Hunde überbeschäftigt oder vernachlässigt, aber die goldene Mitte findet man nur noch selten. Deswegen gibt es inzwischen viele verrückte Kläffer, die nicht mehr normal auf andere Vierbeiner reagieren können.“
Brigitte Balzereit vom Hundeinternat Antonienwald in Wagenfeld beobachtet meist Jugendliche, die beim Gang mit dem Vierbeiner lieber auf ihr Smartphone starren. Ein Fehler, wie sie sagt. „Der Hund wird dadurch verunsichert. Er braucht eine Führung durch seinen Besitzer. Wenn dieser permanent beschäftigt ist, bekommt das Tier ein Problem.“ Der Hund bekomme Angst oder werde aggressiv, weil er sich allein gelassen fühle. „Und wenn die Situation von seinem Besitzer nicht geklärt wird, wird der Hund sie selber klären und eigenmächtig Entscheidungen treffen.“ Die wiederum könnten dann dem Besitzer nicht gefallen.
Blödsinn vorprogrammiert Außerdem könnte der Vierbeiner, um die Aufmerksamkeit von Herrchen oder Frauchen wiederzubekommen, anfangen, Blödsinn zu machen, wie zum Beispiel in die Leine beißen. „Darum sind bei uns auch während der Arbeit mit dem Hund Smartphones tabu“, erklärt Balzereit. Allen Hundefreunden rät sie: „Wenn ihr mit dem Vierbeiner unterwegs seid, lasst das Smartphone aus oder zu Hause. Seid wirklich bei euch und dem Hund.“
Angela Cepedas schließt sich dem an: „Die Leute sollten sich bewusster machen, was alles passieren kann und einfach mal das Smartphone zu Hause lassen. Denn mit dem Ding ist man für die Tiere nicht mehr da.“