Mitte Januar entdeckte eine Leipziger Veterinärmedizinstudentin vor ihrer Wohnung eine abgemagerte, aber zutrauliche Katze – mit einer großen tumorähnlichen Verdickung auf der Schulter. Nachdem sich im Haus niemand für das Tier verantwortlich erklärte, gestaltete sich die Suche nach Hilfe extrem schwierig: Weder das Tierheim noch das Veterinäramt fühlten sich zuständig.
Die „Fundkatzenproblematik“ ist bekannt: Immer wieder weigern sich Kommunen, gefundene Katzen tiergerecht unterzubringen – dabei sind sie nach §§ 965 BGB für die Sicherstellung der Versorgung und die Finanzierung zuständig. Doch mit der nachweislich falschen Argumentation, nicht für heimatlose Tiere zuständig zu sein – die damit also kein Eigentum von Bürgern wären – versuchen verschiedene Kommunen immer wieder auf rechtswidrige Weise, sich aus ihrer Verantwortung zu stehlen.
Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat im Oktober 2011 von der Bundesregierung gefordert, „eindeutige gesetzliche Regelungen für die Betreuung und Unterbringung von verlorenen oder entlaufenen sowie ausgesetzten, zurückgelassenen oder anderweitig herrenlosen Tieren einzuführen“. Explizit betont wurde die notwendige Regelung von Zweifelsfällen. Klar ist: heimatlose Katzen, die Hilfe benötigen, müssen im Zweifelsfall immer als Fundtiere gelten. Damit fallen sie in den Zuständigkeitsbereich der Kommunen und haben so den Anspruch auf eine tiergerechte Unterbringung und Versorgung – was gegebenenfalls eine tierärztliche Betreuung einschließt!
Solltet ihr also in eine ähnliche Situation kommen wie die Studentin aus Leipzig, denkt daran: „Gefundene“ Katzen, gerade wenn sie mit Menschen vertraut sind, sind Fundtiere – ohne Wenn und Aber. Lasst euch nicht abwimmeln! Sollte sich das Tierheim als nicht zuständig erklären – z.B. wenn dort niemand erreichbar ist – und ein Tierarzt eine Behandlung verweigert, obwohl Gefahr im Verzug ist, lasst euch bei der nächsten Polizeistation eine Fundkarte für die Katze ausstellen. Mit dem Durchschlag könnt ihr die Samtpfote dann erneut dem Tierarzt vorstellen – dieser kann sich das Geld für die Behandlung von der Kommune erstatten lassen.
Grundlage für diese Regelung ist, dass Tiere nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) als Sachen behandelt werden – zugleich ist aber in §90 a BGB selbstverständlich festgeschrieben, dass Tiere keine Sachen sind und durch besondere Gesetze – z.B. das Tierschutzgesetz auch auf der Basis von Artikel 20a des Grundgesetzes – geschützt werden.
Solange Tiere in menschlicher Obhut leben (müssen), ist das sinnvoll: Das BGB regelt das Eigentums- und Besitzrecht. In unserer Welt sind Tiere, in menschlicher Obhut bzw. Gefangenschaft, nicht eigenständig. Zumindest für die glücklich tierischen Mitbewohner mit liebender Familie und tiergerechtem Umfeld ergeben sich daraus durchaus Vorteile: Denn würden Tiere nicht unter das BGB fallen, könnte Nachbar A beispielsweise jederzeit zu Nachbar B sagen, der Hund, der zwar immer schon bei dir gelebt hat, möchte von nun ab lieber bei mir wohnen.
Übrigens: Sollte sich ein Veterinär trotz Fundkarte nicht bereit erklären, ein hilfsbedürftiges Tier zu behandeln, könnt ihr gegebenenfalls andeuten, dass ihr die Situation der Landestierärztekammer als Standesaufsicht mit nachrichtlicher Kenntnisnahme bei PETA Deutschland e.V. melden werdet.
Nachtrag: Nach Informationen vom Tierheim Leipzig wurde in der sächsischen Stadt eine Sonderregelung eingeführt – die es Tierfreunden besonders schwer macht, zu helfen: Das Tierheim darf keine Tiere mehr aufnehmen, die von Bürgern als Fundtiere abgegeben wurden – auch eine Fundkarte der Polizei reicht nicht aus. Der „Fundstatus“ jedes Tieres muss vom zuständigen Amt – dem Veterinäramt oder dem Lebensmittelamt – bestätigt werden! Durch diese Regelung, bei der es sich um reine Schikane handelt, will sich Leipzig vor der Zuständigkeit drücken – möglicherweise mit Erfolg: durch die unbequeme Bürokratisierung wird sicher weniger Tieren Hilfe zukommen! Wenn die Hürden hoch genug sind, schrecken mehr Menschen von der Hilfsbereitschaft zurück oder geben angesichts undurchsichtiger Zustände auf.