Eine Säugetiermutter gibt nur Milch, wenn sie ein Kind geboren hat. Dieses grundsätzliche Faktum wird von KonsumentInnen von Kuhmilch gerne vergessen, erwähnt doch die Werbung nichts davon. Jedes Jahr gebiert die Kuh also ein Kalb. Für die weiblichen Kinder gibt es zumeist eine „Verwendung“, sollen sie schließlich die Mütter in der Milchherde nach kurzer Zeit ersetzen, wenn diese ausgelaugt sind und ihre Milchleistung zurückgeht. Die männlichen Kälber allerdings sind vom wirtschaftlichen Standpunkt aus „überflüssig“. Vor einigen Jahren noch gab es die sogenannte Herodesprämie, eine EU-Zahlung dafür, männliche Milchkälber in der nächsten Tierkörperverwertung vernichten zu lassen, um den Markt zu entlasten. Aufgrund großer Proteste wurde dieses Projekt beendet. Was geschieht nun mit den rund 80.000 männlichen Kälbern aus der Milchindustrie in Österreich, die jährlich „überzählig“ sind?
Sie werden in den Süden transportiert. Wir vom VGT haben uns das kürzlich wieder angesehen und sind einem LKW vom Raum Wien bis nach Spanien gefolgt. 90 lange Stunden dauerte für die kleinen Tierkinder, die ständig nach ihrer Mutter schrien, der gesamte Tiertransport. 2500 km legten sie dabei zurück, auf dreistöckigen LKWs mit Anhänger, gut 250 Kälber auf einmal.
Es war ein wirklich erschütterndes Erlebnis für mich, diese Reise mitzumachen. Zunächst fuhr ein Transporter über 7 Stunden einen Hof nach dem anderen im Weinviertel bei Wien an und sammelte die Kälber ein. Sie sind kaum 14 Tage alt, oft baumelt noch die Nabelschnur vom Körper. Ja, sie sind so klein, dass man sie aufheben und in die Arme nehmen könnte. Stattdessen werden sie von Anfang an mit schweren Gummischläuchen geprügelt, bekommen den Schwanz verdreht und werden an den Ohren gezerrt. Die verwirrten kleinen Wesen wissen nicht, wie ihnen geschieht, was man von ihnen will.
Auf der langen Reise werden sie 3 Mal von einem Tiertransporter auf den nächsten verladen, immer unter Geschrei und Schlägen. „Klatsch, klatsch!“, trifft der Gummischlauch auf den zerbrechlichen Tierkörper, kaum 5 m neben mir. „Du Fotze!“, brüllt die Treiberin das hilflose Tier an. Was sind das für Menschen, die so etwas tun? Warum haben sie überhaupt kein Mitgefühl mit diesem Wesen? Wieso lassen wir das zu?
In den LKWs gibt es keine Tränken und schon gar keine Nahrung. Die Kälber seien zu klein, heißt es, sie würden noch Muttermilch brauchen und vertragen kein Wasser. Die EU schreibt für Rinder in diesem Alter eine maximale Transportdauer von 9 Stunden vor, dann müsste der LKW 1 Stunde Pause einhalten, bevor er wieder 9 Stunden fahren kann. Anschließend sollten die Tiere für 24 Stunden entladen werden, bevor es weitergehen darf. Müssten, sollten. Wer kontrolliert das im fernen Spanien? Das Gesetz wird ständig gebrochen. Drüben auf dem LKW-Parkplatz schlafen die Fahrer 8 Stunden im klimatisierten Führerhaus, die Kälber stehen die ganze Zeit dicht gedrängt im Laderaum in der prallen Sonne. Ich kann es kaum fassen.
Was müssen diese armen Wesen von der Welt halten, in die sie hineingeboren wurden? Zuerst die Trennung von der Mutter, dann nur noch Schläge und Geschrei. Auch Biokälber sind darunter. Am Ende fallen sie vor Erschöpfung aus dem Transporter. Manche tot. Ein erschütternder Anblick, ein Haufen toter Kälber mit AMA-AT Ohrmarken vor mir, nachdem der LKW abgefahren ist. Ein Transport über 2500 km in den Tod. Wozu? Für Exportsubventionen?
Aber vielleicht haben es diese toten Tiere sogar besser getroffen als jene, die überlebt haben. Im heißen Spanien, inmitten einer dürren Landschaft ohne grünem Grashalm, stehen die Tierfabriken. Kälbermast, die Tiere anämisch gehalten, in sargähnlichen Einzelboxen, für das weiße Kalbfleisch. Andere wieder landen in der Stiermast auf Vollspaltenboden ohne jegliche Stroheinstreu, 18 Monate lang. Eine ewige Zeit, um die gleichen schmutzigen Wände anzustarren. Den anschließenden Tod im Schlachthof möchte ich mir gar nicht ausmalen.
Zivilisiert soll das sein, so mit Tieren umzugehen? Kultur soll das sein, die Körper dieser Tiere zu fressen? Nach 5 Tagen Verfolgung solcher Transporte nach Spanien bleibt bei mir nur das blanke Entsetzen zurück.